Vietnam: Hoi An, Hanoi & Cat Ba

Vietnam: Hoi An, Hanoi & Cat Ba

Ungläubig begutachten wir unser Zimmer im Loc Phat Homestay in Hoi An. Ist das frisch gewaschene Bettwäsche? Ein Wasserkocher und ein Fön? Ein Kühlschrank?! Wie ein Höhlenmensch, der das Feuer entdeckt, untersuche ich die riesige Regendusche, die sich nicht wie sonst üblich über dem Klo (liebevoll „Duschklo“ getauft), sondern in einem separaten Raum befindet. Hier muss ein Fehler vorliegen und wir fragen vorsichtshalber noch einmal bei unserer herzlichen Gastgeberin Linh nach. Nein, alles richtig – wir wurden tatsächlich in das Superior Double upgegradet. Wir sind jetzt wieder wer – feine Leute. Für einen lächerlichen Geldbetrag sind wir in einem familiengeführten Gästehaus gelandet, das sich anfühlt wie ein Luxusresort. Unser Zimmer hat einen Balkon und wir blicken auf einen feinen, kleinen Garten. 12-Bett-Dorms, fensterlose Löcher, miefige Motels und Bettwanzen gehören ja zum Backpacker-Leben dazu, aber ab und zu tut sowas hier einmal richtig gut. Linh erzählt uns, dass eigentlich alle ihre Gäste länger bleiben als geplant. Ich weiß warum.

Hoi An: Die Bilderbuchstadt

Hoi An war einst ein kleines verschlafenes Fischerdorf und ist heute Weltkulturerbe. Die malerische Altstadt liegt an einem Fluss und strahlt pure Asien-Romantik aus. Alte Gebäude von chinesischen Händlern und goldene Tempel stehen zwischen bunten Holzhäusern. Nicht umsonst gilt Hoi An als Vietnams schönste Stadt und sie weiß sich zu inszenieren. Alles ist mit bunten Lampen geschmückt und die Innenstadt wirkt wie ein Museum – leider komplett in touristischer Hand. Aber wenn man die Reisegruppen mit ihren beigen Funktionsbekleidungen, Sandalen und Reishüten (!) ausblendet, kann man sich trotzdem noch das alte und mystische Asien vorstellen, mit Fischerbooten aus Japan und Opium-Schmugglern. Die Stadt ist außerdem bekannt für seine Schneider, bei denen man sich für wenig Geld Klamotten nach Maß bestellen kann. Das kommt bei den Farangs (Nicht-Vietnamesen) natürlich besonders gut an und deshalb ist mittlerweile fast jeder zweite Laden in der Stadt eine Schneiderei. Ich überlege, wie cool es wäre, für den Rest unserer Reise nur noch Maßanzug zu tragen. „Nicht so cool“, meint Nadira und vielleicht hat sie Recht.

Hoi An hat noch mehr zu bieten als seine berühmte Altstadt. Mit dem Fahrrad können wir zwischen Reisfeldern umherfahren, Wasserbüffel beim Baden beobachten und am Straßenrand Cao Lau essen. Die köstliche Nudelspezialität gibt es nur hier und das Rezept wird streng von nur einer handvoll Familien gehütet. Hoi An ist eine Oase im sonst manchmal ruppigen und hektischen Vietnam. Insgesamt verbringen wir hier fünf Tage und genießen den Komfort unseres Guesthouses. Ein Höhepunkt wartet auf uns, als wir unsere Klamotten vom hauseigenen Wäscheservice abholen. Zum ersten Mal in vier Monaten ist sie richtig gewaschen und duftet ganz fein. Wie bei Mama – fast. Gut riechend und erholt sind wir jetzt bereit für unseren nächsten Stopp.

Nachtzug nach Hanoi

Die 14-stündige Fahrt im Schlafabteil, das wir uns mit einer vietnamesischen Familie teilen, ist erstaunlich entspannt und wir kommen halbwegs ausgeschlafen in Hanoi an. Wir verzichten auf ein Taxi und laufen die zwei Kilometer vom Bahnhof zu unserem Hotel. Die Stadt strahlt ein junges, urbanes Flair aus und unterscheidet sich stark vom hektischen Saigon. Zwar sind auch hier Milliarden Mopeds unterwegs, aber alles wirkt irgendwie freundlicher. Es gibt diese Orte, wo man sich direkt wohlfühlt – das hier ist einer davon. Auf dem Weg zum Hotel laufen wir an einer Garküche vorbei, die – wie üblich – den Namen ihres Hauptgerichtes plus die Hausnummer trägt: Bun Bo Nam Bo 67. Ich denke noch: Das sieht gut aus. Die ca. 50 Plastikstühle sind voll besetzt und aus der improvisierten Küche am Eingang riecht es extrem verlockend. Wir werden hier jeden Tag mindestens einmal essen gehen und küren Bun Bo Nam Bo zum besten Essen Vietnams.

Die Altstadt Hanois ist das Asien, von dem ich zu Hause geträumt habe. Wir laufen stundenlang durch die engen Straßen und sind überwältigt von den exotischen Gerüchen, den kleinen Eckkneipen, wo es Bia Hoi (gezapftes Bier) für 50 Cent gibt, den Cafés und Garküchen. Alles, was wir an der südostasiatischen Kultur lieben gelernt haben, vereint sich hier in einer aufregenden, aber trotzdem entspannten Atmosphäre. Wie immer zieht es uns auf die Märkte, wo man das alltägliche Leben in seiner reinsten Form betrachten kann. Säckeweise Ingwer, Koriander und andere exotische Gewürze stapeln sich an einem Stand neben dem anderen. Daneben schwimmen Krebse, Aale und Muscheln in bunten Plastikwannen. Einer netten alten Frau muss ich einfach ein handgemachtes Kochmesser abkaufen – obwohl mir nach Tokio aus Budget-Gründen ein Messer-Embargo auferlegt wurde. Es ist das letzte, versprochen.

Ein weiteres kulinarisches Highlight finden wir an einem unscheinbaren Straßenstand, der erst einmal nur durch seinen regen Betrieb und seine vollbesetzten Mini-Hocker auffällt. Bei näherem Hinsehen entdecken wir kleine Tischgrills, die auf den noch kleineren Tischen stehen. Viele Jugendliche sitzen hier und brutzeln ihr Fleisch und Gemüse und scheinen eine großartige Zeit zu haben. Da müssen wir mitmachen. Wir bestellen unseren eigenen kleinen Grill und erhalten unser Grillgut mit frischen Gewürzen und – am wichtigsten – einem großen Topf Butter. In guter deutscher Manier drapieren wir das Fleisch sorgfältig auf dem Grill, schön mit Mindestabstand nach DIN und einer Messerspitze Fett. „You need more butter!“ empfiehlt uns der junge Kellner und nach kurzer Zeit grillen wir vietnamesisch: Alles draufschmeißen und den gesamten Buttertopf verbraten. Es ist großartig, wir träumen heute noch davon. Danach stürzen wir uns in eine der zahlreichen Bia Hoi-Kneipen, wo sich die Jugend der Stadt versammelt. Immer mehr Kinder-Hocker werden in Reihen aufgebaut, bis die ganze Straße voll damit ist. Es wird getrunken und gelacht. Wir mittendrin, strahlend.

Lieber Lan Ha als Ha Long

Eine Reise nach Vietnam ist nicht komplett, ohne die berühmte Ha Long Bucht mit ihren gewaltigen Kalkstein-Formationen zu besuchen. Von Hanoi aus kann man Touren dorthin machen, die aber – so hört man – furchtbar enttäuschend sein können. Im schlimmsten Fall bucht man sich bei einer Kaffefahrt ein. Als schönere Alternative gilt die Lan Ha Bay. Sie ist ein Ausläufer der Ha Long Bay und bietet die gleiche natürliche Schönheit – nur ohne Touristenmassen. Die Anreise ist etwas komplizierter, aber mit ein bisschen Mühe kann man sich am Busbahnhof in Hanoi ein günstiges Ticket kaufen und mit einer Bus-Bus-Schiff-Bus-Kombination auf die Insel Cat Ba fahren (hier steht, wie es genau abläuft). Die Anreise klappt erstaunlich reibungslos. Immer wenn wir irgendwo aussteigen, wartet schon das nächste Transportmittel auf uns. Auf Cat Ba ist gerade Nebensaison, wir können uns eines der vielen Hostels aussuchen und zahlen etwa 5 € für ein Zimmer. Die Agentur „Asia Outdoors“ bietet geführte Kayak-Touren in die Bucht an – das klingt gut. Mit acht anderen netten Mitreisenden fahren wir morgens mit dem Schiff raus und werden von Tour-Guide Nick durch die verschiedenen Lagunen und zwischen den riesigen Felsen hindurch geführt, die wie Türme aus dem Wasser ragen. Außer uns und ein paar Fischern ist kaum jemand in der Bucht unterwegs. Es ist still und friedlich und die Szenerie scheint nicht von dieser Welt. Das graue, neblige Wetter erzeugt eine traumhafte Atmosphäre. Abends sind wir erschöpft, aber beseelt von den Eindrücken und lassen den Abend bei einigen Bieren mit unseren Tour-Kollegen aus London ausklingen. Später im Hotel werden wir praktisch zeitgleich von extremer Übelkeit aus dem Schlaf gerissen. Zu viel Bier? Nee. Das Essen. Niemals zuvor wurde so simultan und so viel gebrochen. Nach zwei Tagen des Leidens und Cracker-und-trocken-Brot-Essens haben wir uns aber wieder erholt und können diese Quarantäne-Station eines Zimmers endlich wieder verlassen.

Auf dem Weg zurück nach Hanoi machen wir noch einen Abstecher nach Ninh Binh und den Cuc Phuong Nationalpark, wo wir unter anderem das Primate Rescue Center besuchen, wo diverse Affen aus den Fängen von Wilderern gerettet werden. Ein großer Moment für mich. Die Affen sind supercool und hängen entspannt rum, leider darf ich keinen adoptieren. Danach geht es zurück in die Hauptstadt. Das Wetter ist frühlingshaft und ganz Hanoi ist aufgeregt wegen des bevorstehenden Neujahrsfests Tet. Überall wird fleißig dekoriert und alle sind unterwegs, um noch schnell letzte Besorgungen zu machen. Wir schlafen im brandneuen Flipside-Hostel, das wir durch Zufall während unseres ersten Besuchs entdeckt haben. Es ist noch ein waschechter Geheimtipp und hier genießen wir die letzten paar Tage in Vietnam.

Wir hatten vier Wochen Zeit, dieses Land zu entdecken. Es war herausfordernd, zwischendurch auch anstrengend. Aber jeder kleine Tiefschlag wurde durch viele fantastische Erlebnisse kompensiert. Es ist ein wunderschönes Land mit unfassbar herzlichen Menschen und mit einem guten Einblick in die vietnamesische Kultur und Lebensweise fahren wir weiter nach Laos.

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