Sabaidee Laos!

Sabaidee Laos!

Als wir in Luang Prabang aus dem winzigen Flugzeug steigen und ohne Beaufsichtigung über das Flughafen-Rollfeld laufen, spürt man direkt, dass hier in Laos die Uhren anders ticken. Langsamer, irgendwie entspannter. Bei der Einreise ist dann aber Schluss mit Entspannung, denn es gilt nun, dem laotischen Grenzbeamten ein Visa on Arrival zu entlocken. Wir landen in einer Schlange hysterischer Menschen, die allesamt vor drei Schaltern stehen und versuchen, sich durch das nach Herkunftsland sortierte Gebührensystem und den Dokumenten-Dschungel zu kämpfen. Als wir endlich an der Reihe sind, stellen wir fest, dass man als deutscher Staatsbürger mit 35 Dollar plus hier und da einer kleinen Bestechungsgebühr fürs Stempeln ganz gut wegkommt. Das kanadische Pärchen vor uns zahlt 45 Dollar und diskutiert erzürnt mit den Beamten (Wir rätseln lange, was die Kanadier den Laoten wohl einst Unangenehmes angetan haben könnten). Nach erfolgreicher Einreise betrachten wir stolz unsere schicken Visa-Aufkleber, holen uns einen Haufen einheimischer Währung und fahren mit dem Taxi in unser Hostel, wo uns eine große Auswahl an kiffenden Backpackern und Hängematten erwartet.

Luang Prabang: Plantschen im Wasserfall

Angetan von der entspannten Anreise, erkunden wir am nächsten Tag das kleine Städtchen, dessen historisches Stadtzentrum unter Denkmalschutz steht. Es reihen sich viele buddhistische Klöster und Bauten französischer Kolonialarchitektur aneinander, durch die Stadt fließt der Mekong. Überall blüht es und die Luft riecht nach Sommer. Die Einheimischen winken fröhlich und wirken sehr offen. Unsere Köpfe sind irgendwie noch in Vietnam, sodass wir zwei Tage brauchen, bis wir begreifen, dass wir wirklich in Laos angekommen sind. Bis dahin überbrücken wir die kleine Kulturveränderung mit Brot-mit-Avocado essen und Fruchtshakes trinken. Leider kann die laotische Küche nicht mit der großartigen vietnamesischen Küche mithalten, eine Ausnahme ist allerdings der Hot Pot, das laotische Barbecue. Auf einer heißen Platte werden viele Arten von Fleisch gegrillt. So weit, so gut. Aber: Um den Grill herum verläuft eine Auffangrinne, in der eine Suppe köchelt, in die das Fett des Fleisches läuft. Wir essen, bis wir fast umfallen.

Um unsere Eingewöhnung zu beschleunigen, entschließen wir uns am nächsten Tag, den Kuang Si Wasserfall mit dem Moped zu besuchen. Wir sind beide blutige Zweirad-Anfänger und wenden uns vertrauensvoll an den hosteleigenen Verleih. Die herbeieilende Moped-Frau guckt zornig, grapscht nach meinem Reisepass, schweigt und guckt erneut zornig. Hilfe. Dennoch erhalten wir ein sehr glänzendes und sehr neues Moped. Das Abenteuer kann losgehen, frühmorgens machen wir uns auf den 25 Kilometer langen Weg zu den Wasserfällen. Zwei Anfänger auf einem Moped klappt erstaunlich gut und so fahren wir auf kurvigen Straßen durch kleine Dörfer, wo kleine Kinder am Straßenrand stehen, Sabaidee (Hallo) rufen, lachen und wild winken. Wir versuchen, noch wilder zurückzuwinken, ohne vom Moped zu fallen. Bei den Wasserfällen angekommen, stapfen wir durch den Dschungel zu Wasserfall Nr. 1. Dort hat sich trotz der frühen Morgenstunde schon eine beachtliche Anzahl von laut plärrenden Touristen eingefunden. Die eine Hälfte, meist junge Farangs, ist damit beschäftigt, sich von Bäumen in das wunderschöne grüne Lagunenbecken des Wasserfalls zu schwingen. Die andere Hälfte, primär Asiaten im Rentenalter, filmt das Spektakel. Wir werfen uns in unser Badeoutfit, rennen winkend an den Kamera schwenkenden Leuten vorbei und stürzen uns in eiskalte Wasser. Das Wort „Spaß“ ist hier noch schwer untertrieben – Baden im Wasserfall, dicker Check auf unserer To-Do-Liste. Nach viel Geplantsche besichtigen wir noch die anderen Wasserfälle und rollern anschließend glücklich zurück nach Luang Prabang.

Vang Vieng: Von wegen Party

So langsam rinnen uns die Tage durch die Finger, sodass wir entscheiden, uns bald Richtung Süden aufzumachen, damit wir noch möglichst viel vom Land mitbekommen. Laos war schon immer eine Wunschstation bei unserer Reiseplanung, obwohl wir so wenig über diesen Teil Südostasiens wussten. Das holen wir nun nach und wir lesen uns möglichst viel Wissen an. Wir erfahren, dass die Amerikaner während des Vietnam-Kriegs jede Menge Bomben über Laos abgeworfen haben, von denen heute noch sehr viele Blindgänger unter der Erde liegen, die viele Laoten verletzen oder sogar töten. Das stimmt uns nachdenklich, und wir versuchen, die geschichtlichen Hintergründe des Landes während unserer Reise, wie schon in Vietnam, in unsere Erfahrungen mit einfließen zu lassen.

Die Laoten gelten als sehr gastfreundlich und zurückhaltend, was im absoluten Gegensatz zu dem steht, was wir über den Ort Vang Vieng gehört haben. Dieser erlangte vor ein paar Jahren traurige Berühmtheit, als eine Horde wild gewordener Backpacker über ihn herfiel. Bekannt geworden ist er durch das sogenannte Tubing (in LKW-Reifen den Fluss hinuntertreiben) und seine vielen Fluss-Bars. Die Kombination von fließendem Gewässer und Tonnen von Alkohol und Drogen führte zu einigen Todesfällen. Die Regierung entschied sich, dem Treiben ein Ende zu setzen und schloss die meisten Bars. Die Laoten konnten aufatmen, denn die kopulierenden und kotzenden Massen zogen weiter nach Thailand, an den Ballermann oder sonst wohin, wo es billigen Alk und endlose Partys gibt.

Da die wilden Zeiten vorbei sind, und der Ort so viel mehr zu bieten haben scheint, entscheiden wir uns, Vang Vieng eine Chance zu geben und fahren morgens in Luang Prabang los. Die Fahrt im Minivan geht hoch in die Berge und ich höre fast auf zu atmen – wie schön ist bitte diese Landschaft! Wir schauen immer wieder ungläubig hinaus. Die Berge reihen sich in einzigartiger Formation aneinander, noch nie zuvor habe ich so viele unterschiedliche Grüntöne gesehen. Zwischendurch geht es durch kleine Bergdörfer, die ganz ursprünglich sind und wie aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen. Wieder winken die Menschen uns fröhlich zu und zahlreiche Kinder spielen lachend vor den Berghütten. Es ist zu schön, auch nach gefühlt 1.000 Busfahrten noch so umgehauen zu werden. Die klassische laotische Reifenpanne folgt auf dem Fuße, der Busfahrer schafft es aber, den Reifen in Rekordzeit zu wechseln.

In Vang Vieng angekommen, ist der Spirit des Party-Orts noch latent spürbar. Es wimmelt vor Bars, aber das kleine Städtchen scheint sich von seiner nervigen Historie so langsam zu erholen. Wir checken in einem Guesthouse etwas außerhalb des Epizentrums ein und erkunden neugierig den Ort. Klein ist er, touristisch auch, aber irgendwie gemütlich. Am nächsten Tag fahren wir zur Blauen Lagune, und freuen uns über die Berglandschaft im Sonnenaufgang. Leider gibt das Moped irgendwann seinen Geist auf, sodass wir schwitzend und genervt durch die Pampa laufen, um einen Tuk-Tuk-Fahrer davon zu überzeugen, uns samt Moped für weniger als 1 Milliarde Euro wieder zurück in die Stadt zu fahren. Handeln klappt unter den Umständen nicht so gut wie sonst, und so fahren wir etwas kaputt in einem vollkommen überteuerten Tuk-Tuk zurück zum Moped-Verleih. Der gute Mann nimmt das Moped aber anstandslos und ohne Zahlungsforderung entgegen, sodass wir doch noch Geld über haben, um uns ein Abendessen leisten zu können.

Vientiane: Entspannteste Hauptstadt Südostasiens

Am nächsten Tag fahren wir schon wieder weiter, es geht nach Vientiane, in die Hauptstadt Laos. Im Hostel Backpackers Garden angekommen, erwartet uns pure Freundlichkeit, gute Musik, nette Leute und eine so was von entspannte Atmosphäre. Unser Zimmer teilen wir uns mit zwei Israelis, einem Litauer und einem Nepalesen. Nach einer Runde Bier geht es auf einmal um Politik und wir diskutieren, schreien und lachen die halbe Nacht. Der kulturelle Austausch ist wahnsinnig ergiebig und ich freue mich noch den ganzen nächsten Tag über die Erkenntnisse, die ich aus diesem nächtlichen Gespräch mitnehme. Am nächsten Morgen ziehen unsere neuen Freunde leider Richtung Norden weiter, geben uns aber noch ordentlich viele Tipps für den Süden, aus dem sie gerade kommen. Wir entscheiden, dass wir noch einen Tag länger in Vientiane bleiben, um das öffentliche Freibad aufzusuchen. Es sind weit über 40 Grad und man hat das Gefühl, man läuft gegen eine Wand – schwimmen scheint da die beste Idee. Im Freibad angekommen, erwartet uns eine wilde Horde junger Schüler, die ihre Mittagspause ebenfalls hier verbringen. Die Schüler und wir liefern uns einen Wettkampf im Freundlich-Winken und Lachen. Es ist immer wieder schön, wie viel man vom Leben des anderen mitbekommt, wenn man es schafft, einen Einblick in den Alltag desjenigen zu erhalten.

Thakhek: Moped-Loop an einem Tag

Schweren Herzens verlassen wir am nächsten Tag die Hauptstadt und fahren weiter nach Thakhek. Dort gibt es die Möglichkeit, eine 3-4-tägige Moped-Tour zu machen. Wir rechnen nach und entscheiden dann, dass die Zeit doch nicht mehr ausreicht, um den kompletten Loop zu machen. Also mieten wir uns ein feines Moped für einen Tag und fahren aus Thakhek raus. Die Luft ist warm und staubig und es ist das pure Gefühl von Freiheit. Wir fahren an kleinen Dörfern vorbei, wo uns wieder Kinder zuwinken und auf- und abhüpfen. Zwischendurch besichtigen wir die Buddha-Cave und machen am Straßenrand Mittagspause mit ein paar Kälbern, die friedlich neben uns grasen. Nach einer heftigen Runde Fast-Sonnenbrand-des-Jahrhunderts machen wir uns auf den Heimweg und fahren in der Dämmerung heimwärts. Die Hintern tun weh und wir sind ehrlich gesagt etwas froh, dass wir nur einen Tag unterwegs waren.

Abends essen wir im Zentrum an einem Straßenstand, selig sprechen wir über das Erlebte. Auf einmal erscheint ein sehr dünner Mann mit einem kleinen Kind auf dem Arm. Er hält uns eine Art Topf entgegen und wir geben ihm etwas Geld. Er spricht uns auf laotisch an, wir verstehen ihn leider nicht. Nach einer Weile guckt er verzweifelt und geht weg. Hinterher verstehen wir endlich, dass er kein Geld wollte, sondern etwas von unserem Essen für sein Kind. Ich kann es nicht fassen. Wie schlimm. Die Leute hungern und wir fahren mit dem Moped durch die Gegend. Ich schäme mich sehr. Sehr nachdenklich und schweigend laufen wir zurück zu unserem Hostel.

Am nächsten Morgen wollen wir uns weiter südwärts arbeiten und fahren weiter nach Pakse. Als unser Bus von einem fröhlichen Busfahrer auf den Felgen in den Busbahnhof gelenkt wird, überlege ich zum ersten Mal, nicht in diese Todesfalle einzusteigen. Tom verschwindet daraufhin kurz und murmelt etwas von wegen „Lage checken“.  Grinsend kommt er zurück, klopft mir auf die Schultern und meint zuversichtlich, dass Motor und Reifen gut aussähen. Ahja. Ich gebe auf und wir fahren los. Als wir nach 8 Stunden Fahrt erschöpft in der Nähe von Pakse ankommen, hält der Bus auf einmal an. Der Busfahrer schreit: „Pakse, Pakse, out!“ Da wir allerdings noch ein paar Kilometer von der Stadt entfernt sind, gucken alle erst einmal verwundert. Unser neuer bester Freund, der Busfahrer, fängt fleißig an, Rucksäcke auszuladen. Allerdings nur von Backpackern. Was geht hier ab? Draußen warten breit grinsende Tuk-Tuk-Fahrer auf uns. Verdammt, wir sind auf den klassischen Scam reingefallen. Alle sind sehr wütend, denn das ist hier ein abgekartetes Spiel: Der Busfahrer hält weit vor dem Ziel, die Tuk-Tuks fahren die Touristen zu überteuerten Preisen in die Stadt hinein und am Ende wird der Gewinn geteilt. Aber wir beschließen, das Spiel nicht mitzumachen und revoltieren. Wir laufen. Alle. Die Fahrer können es nicht glauben und der Preis für die Fahrt geht auf einmal sekündlich runter. Aber wir wollen nicht gefahren werden, wir kämpfen uns schwitzend und abwechselnd High-Five gebend mit unseren Rucksäcken durch die Hitze. Als wir an einer Brücke ankommen, die noch nicht fertiggebaut ist, fährt uns ein Mönch in einem kleinen Boot über den Fluss. Wir entscheiden, dass wir alles richtig gemacht haben.

4000 Islands – Don Khone: Hängematten-Wonderland

In Pakse bleiben wir nur eine Nacht, denn wir wollen am nächsten Morgen weiter auf die 4.000 Islands, ganz im Süden Laos. Dort könne man sehr gut entspannen, sagen uns alle. Als wir dort ankommen, verstehen wir was alle meinen. Auf der kleineren Insel der beiden Hauptinseln, Don Khone, suchen wir uns ein Guesthouse, wo man mit einer Hängematte über dem Mekong schaukeln kann. So lässt es sich aushalten und wir bleiben hier zwei Tage, bevor schon unsere nächste Station auf uns wartet: Kambodscha. Boah Laos und Khob chai – es war so wunderschön mit dir!