Tupiza – Uyuni: Lamaliebe und Cocablätter

Tupiza – Uyuni: Lamaliebe und Cocablätter

Wer von argentinischer Seite aus nach Bolivien will, muss laufen. Seitdem ich das weiß, bin ich drei Tage lang aufgeregt: Wie wird das wohl sein, gibt es Zollkontrollen? Wie sieht der Grenzübergang aus? Morgens früh machen wir uns in La Quiaca auf den Weg nach Villazon. Es ist 3.500 Meter hoch, wir schwitzen und atmen schwer. An der Grenze angekommen, laufen wir mit vielen anderen Menschen über eine Brücke. Wieder kurze Aufregung, was wird wohl passieren? Wir stellen fest: Nix, zwei Stempel später sind wir in Boliven. Hurra!

Welcome to Bolivia

Auf bolivinanischen Boden ist auf einmal alles intensiver: Ältere Frauen mit vielen Röcken und kleinen Hüten, sogenannte Cholitas, verkaufen am Straßenrand alles was das Herz begehrt. Unvorstellbarerweise wird hier noch mehr geschrien und gesungen als in Argentinien und Chile, es herrscht grandioses Gewusel. Das ist jetzt einmal wirklich das Südamerika, wie wir es uns vorab unserer Reise vorgestellt haben. Staunend laufen wir in Richtung Busbahnhof, um festzustellen, dass es keinen gibt: Halbschrottene Busse stehen in der Landschaft herum, Einheimische schreien und wollen einem Fahrten offerieren. Wir wagen das Experiment und nehmen uns ein Collectivo, ein sogenanntes Sammeltaxi. Die Fahrt nach Tupiza kostet 20 Bolivianos, umgerechnet 2,30 Euro – KVB-Kurzstrecke quasi. Mir ist allerdings ein wenig mulmig zumute, Bolivien ist laut Reiseführer nicht unbedingt das unkriminellste Pflaster – es gibt Warnungen vor Entführungen und anderen schlimmen Dingen. Ich denke leise vor mich hin: Was ist, wenn der Fahrer betrunken ist, oder noch schlimmer – uns die anderen fünf Männer im Taxi ausrauben wollen? Tom lacht und meint, das wird schon. Während der unfassbar entspannten Fahrt denke ich: Dämliches deutsches Mädchengetue, eine Warnung im Lonely Planet und ich stelle hysterisch ein ganzes Land unter Generalverdacht. Ich entschließe, ab sofort deutlich offener und entspannter zu sein.

Nach zwei Stunden Fahrtzeit und dem interessanten Lehrgang „How to use coca – from a local“ kommen wir wohlbehalten an. Wir sind auf 3.000 Meter Höhe und checken zum ersten Mal in ein Hotel ein, da wir uns die nächsten zwei Tage entspannt akklimatisieren wollen, bevor es mit einer geführten Jeep-Tour durch Südbolivien auf bis zu 5.000 Meter hochgeht. Ich habe großen Respekt vor der Höhe, da ich in San Pedro schon das Vergnügen hatte, Bekanntschaft mit der Höhenkrankheit (schlimmste Kopfschmerzen, Übelkeit und viele schöne Dinge mehr) zu machen. Tom scheint hingegen einigermaßen immun zu sein. Wen es wo und wann erwischt ist leider etwas diffus, das einzige was vorab hilft, ist: Langsames Akklimatisieren. Sollte es einen erwischen, helfen Cocablätter in rauen Mengen.

In Tupiza schlendern wir durch das Städtchen, genießen die Reise-Pause und rätseln, was uns auf der bevorstehenden viertägigen Tour nach Uyuni alles so passieren mag. Mal ehrlich, wir sind keine Outdoor-Spezialisten, eher urbane Typen und die Vorstellung von einer mehrtägigen Jeep-Tour lässt unsere Herzen höher schlagen. Nach intensiver Recherche haben wir uns für Tupiza Tours entschieden. Die Agentur ist zwar etwas teurer als andere, dafür rasten viele Reisende bei Tripadvisor vor positiven Empfehlungen nur so aus. Unsere Vorsicht kommt leider nicht von ungefähr, es gibt viele schlimme Geschichten von betrunkenen Fahrern und tödlichen Unfällen.

Tour-Highlight: Auf geht’s!

Sonntags morgens um 8 Uhr geht es los. Voller Vorfreude stehen wir am Treffpunkt und lernen unsere Mitreisenden kennen: Mit uns im Jeep reist ein holländisches Paar, wir verstehen uns auf Anhieb. Die beiden sind bereits seit 15 Monaten unterwegs und haben schon die halbe Welt gesehen. Im anderen Jeep sind ein ebenfalls sehr nettes französisch-spanisches Paar und zwei freundliche Italiener. Unser Fahrer heißt Ruben, ist 1,50 Meter groß, trägt eine Art grüne Top-Gun-Flieger-Uniform und sieht vertrauenserweckend aus. Er spricht nur spanisch, aber das haben wir vorab gewusst und nehmen die Sprach-Challenge gerne an. Der Jeep sieht ebenfalls gut aus. Wir checken etwas unbeholfen Reifen und Ausrüstung und entscheiden, dass wir unser Leben für die nächsten Tage vertrauensvoll in Rubens Hände legen können. Mit uns im Auto fährt die Köchin, die uns noch eine Menge Freude bereiten wird – nicht. Offensichtlich hasst sie alles und jeden, außer Ruben. Dieser wird mit schmachtenden Augen und viel Gekicher sehr lange und intensiv angeflirtet. Er erträgt es mit stoischer Ruhe.

Der erste Tag ist direkt eine Hausnummer: Es geht mit dem Jeep über viele kleine Schotterpisten weiter hoch in die Berge. Die Aussicht ist fantastisch, wir sehen viele Täler und endlich: Lamas! Hysterisiert rennen wir in eine Herde hinein und werden erstmal von allen Tieren ignoriert. Dennoch arbeiten wir uns bis zu einen Meter an sie heran. Ich kichere wie ein Schulmädchen, Tom hat strahlende Augen und fotografiert wie wild. Weiter geht es, wir fahren viele Kilometer durch tolle Berglandschaften und kleine Dörfer. Abends kommen wir erschöpft, aber mit sonnengeröteten Gesichtern in unserer ersten Unterkunft an. Hier gibt es nur für zwei Stunden Strom, kein Netz und kaltes Wasser. Stolz auf unsere heroischen Outdoor-Aktivitäten, krabbeln wir unseren Thermoschlafsack. Heizung gibt es natürlich auch keine, dafür knackige -10 Grad.

Am nächsten Tag geht es um 7 Uhr weiter, bibbernd genießen wir das Frühstück und den Sonnenaufgang. Wir Mädels im Jeep haben leichte Probleme mit der Höhe, aber im Laufe des Tages bessern sich unsere Beschwerden. Die Köchin hasst uns nach wie vor, kocht dafür aber sehr leckeres und frisches Essen. Wir sehen Lagunen, die eingebettet in die Berge nicht schöner und kitschiger aussehen könnten. Auf ihnen schwimmen friedlich sehr viele Flamingos. Als wir an einem Berg voller Chinchillas vorbeifahren, rasten wir komplett aus. Abends kommen wir wieder sehr erschöpft, aber glücklich in der zweiten Unterkunft an. Wir trinken Tee mit den anderen und wundern uns über eine Seniorengruppe voller Franzosen, die den Fakt ignorieren, dass wir keine Franzosen sind und uns lebhaft viele Sachen mitteilen wollen.

Nach einer arschkalten Nacht geht es in die dritte Runde. Wir fahren zu den Geysiren, auf 5.000 Meter hoch. Das Schauspiel in der Höhe ist wirklich mit das Beeindruckenste, was ich je gesehen habe: Heiße Luft, die nach Schwefel stinkt, schießt wie wild aus der Erde. Der Boden unter uns zischt und blubbert, es ist der Wahnsinn. Nach dieser tollen Erfahrung geht es auch schon weiter, wir fahren über sehr üble Straßen. Der sonst so redselige Ruben spricht kaum ein Wort – höchste Konzentration ist angesagt. Heil angekommen bewundern wir den semi-aktiven Vulkan Ollague. Wir sitzen auf einem Felsen und staunen erneut über das Naturschauspiel. Abends geht es zum ersten Mal in eine Unterkunft mit Duschen. Heißes Wasser. Ein Segen, wir fühlen uns wie neugeboren.

Der letzte Tag ist der Höhepunkt der Tour: Um 4 Uhr morgens geht es in die Salar de Uyuni, der größten Salzwüste der Welt. Auf mehr als 10.000 Quadratkilometern erstreckt sich wunderschön das Weiß des Salzes. Auch nach 20 Minuten Fahrt hat man nicht das Gefühl, dass es irgendwo ein Ende gibt. Was wir dann sehen, lässt einem den Atem stocken: Wir stehen auf einer Kakteen-Insel, vor uns geht die Sonne auf. Ruben, allerbester Mann, hat es geschafft, uns vor den ganzen anderen Touri-Truppen als erstes auf die Insel zu bringen. Es ist so ein schöner Moment, wir genießen einfach nur. Danach gibt es Frühstück und wir fahren in die Salar hinein, um „Fotos locos“ zu machen, wie Ruben augenrollend sagt. Gesagt – getan, wir geben alles, denken uns immer wieder neue Ideen aus und lachen uns kaputt.

Nach dem wunderschönen Erlebnis Salar gibt es noch ein finales zorniges Lunch mit der Köchin und den sehr traurigen Abschied von unseren wundervollen Mitreisenden. Zum ersten Mal werden Mailadressen ausgetauscht, wir bleiben auf jeden Fall in Kontakt. Total erschöpft und superglücklich geht es ins Hostel in Uyuni, erst einmal schlafen. Bald geht es schon wieder weiter, Bolivien hat noch so viel zu bieten.

Besten Mitreisenden der Welt (v.l. Jolanda, ich, Lennart, Tom, Sara, Gabriel, Matthieu)

Besten Mitreisenden der Welt (v.l. Jolanda, ich, Lennart, Tom, Sara, Manuel, Matthieu)

Tipps des Tages:

  • Tupiza Tours (bester Touranbieter für die 4-tägige Tupiza-Uyuni-Route; Kosten: ca. 190 Euro p.P., Verpflegung und Unterkunft inklusive)
  • La Quiaca, Hostel Copacabana (Nettes, kleines Hostel; Kosten: 18 € für ein Doppelzimmer)