Tokio Teil 1: Shibuya, Shibuya!

Tokio Teil 1: Shibuya, Shibuya!

Punktlandung in Tokio. Ich kann es kaum fassen, dass ich endlich in der Stadt angekommen bin, die immer am weitesten oben auf meiner kleinen Reise-Wunschliste stand. Mein Kopf flimmert, alle Sinne sind auf Erlebnis eingestellt. Tom hat ebenfalls glitzernde Augen, als er die vielen Sushi-Lädchen und die Elektronik-Ausstattung sichtet. Schnell eilen wir zum Arrival-Gate, wo noch ein besonderes Geschenk auf uns wartet: Unsere Freunde Philipp und Steffi kommen uns besuchen. Während wir warten, tippt uns plötzlich ein freundlich dreinblickender Japaner – im Schlepptau zwei Kumpels mit Kamera und Mikrofon – auf die Schulter. „Interview ok?“ fragt er und schon filmt sein Kollege los. Mit roten Bäckchen und dünnen Stimmchen geben wir irgendeinem TV-Sender eine Art Interview zu unserem Japan-Besuch. Alle Müdigkeit ist sofort verflogen. Nachdem die Situation erfolgreich gemeistert ist, lachen wir beide erleichtert auf und konzentrieren uns wieder auf die Ankunft der beiden Freunde. Mit viel Geschrei schließen wir die beiden endlich in die Arme und machen uns danach gemeinsam auf den Weg nach Shibuya, wo wir die nächsten Tage wohnen werden.

Shibuya: Hachiko, Love Hill und Robo-Sushi

In der U-Bahn geht das Abenteuer Japan dann so richtig los. Zwar sind die meisten Schilder auch auf Englisch übersetzt, jedoch muss sich das Auge erst einmal an die vielen ungewohnten Zeichen und Bilder gewöhnen. Wir fragen uns höflich durch und erreichen schließlich die Shibuya Station mit dem berühmten Hachiko Exit. Dort kann man die Bronzestatue des Hundes Hachiko bewundern, der auch nach dem Tod seines Besitzers über zehn Jahre an dieser Stelle auf ihn gewartet haben soll. Hachiko steht in Japan dementsprechend für Treue. Hach, welch ein Auftakt! Wir überqueren die Shibuya-Kreuzung, die jeden Tag von mehreren zehntausend Menschen frequentiert wird. Alle zwei Minuten kann man das Schauspiel aufs Neue bewundern. Und: Niemand rempelt. Fasziniert diskutieren wir über einen möglichen und sofortigen Import dieser Verhaltensweise nach Köln.

Als wir dann im Appartment ankommen, erwarten uns freundliche 18qm Gesamtfläche. Wohnraum ist knapp in Tokio und wohnen wie ein Local ist unser Plan. Für die nächsten Tage schwören wir uns gegenseitig strenge Aufräum-Disziplin, damit unser Aufenthalt nicht in Mord und Totschlag endet. Nach einer Runde Frischmachen und bereits so vielen verteilten Klamotten auf dem Boden, dass man nicht mehr treten kann, machen wir uns auf die Suche nach etwas Essbarem. Wir schlendern durch unsere Nachbarschaft, den Love Hill – wie der Name schon andeutet, eine Gegend mit dem ein oder anderen Stundenhotel. Im Gegensatz zu anderen Ländern haben diese Hotels allerdings kein schmuddeliges Image. Sauber und aufgeräumt reihen sich die mit blinkenden Herzchen versehenen Häuserfronten aneinander. Zwischendrin liegt unser Essensziel: Das vollautomatische Sushi-Restaurant Uobei. Nach ein wenig Verwirrung am Empfang werden uns Chipkarten in die Hand gedrückt und wir suchen uns hektisch unsere Plätze. Nun wird es mehr als abenteuerlich: Per Touchscreen bestellt man sein Sushi, dass anschließend auf einer Art kleinen Eisenbahn heranfährt. Wir sind sprachlos und bestellen wie wild alle möglichen Arten von Sushi, die preismäßig jeweils bei ’ner kleinen Pommes liegen – paradiesisch. Nach unserer kleinen Essens-Orgie bezahlen wir jeder umgerechnet zehn Euro und laufen glücklich und unseren Aufenthalt bereits jetzt stark feiernd zurück zu unserem Puppenhaus.

Shibuya, Ramen-Automat und Tokyo Hands

Nach einer kurzen Nacht steht das Erkunden unserer neuen Hood auf dem Programm. So bewegen wir uns dank des portablen Wifis (!) unseres Vermieters relativ entspannt durch Shibuya und sehen viele blinkende Lichter, Manga-Mädchen und Geschäfte mit undefinierbaren Inhalten. Was sofort auffällt, ist die ausnehmende Höflichkeit der Menschen. Wir lernen schnell das Wort sumimasen, übersetzt soviel wie „Entschuldigung und danke danke vielmals“. Etwas durcheinander von der Menge an Freundlichkeit betreten wir ein Ramen-Restaurant, in dem man an einem Automaten sein Essen bestellen kann. Im Restaurant selber sitzt man nebeneinander aufgereiht und hat mit seinem Kellner nur Kontakt durch ein kleines Sichtfenster. Durch dieses sieht man allerdings nur dessen untere Körperhälfte, was anfangs ein wenig irritierend ist. Nun reicht man seine kleinen Quittungen in gestikulierende Hände, erhält als Antwort einen Schwall japanisch und der Vorhang des Sichtfensters geht herunter. Nach ein paar Minuten kommt dann ein köstliches Ramen. Während des Essens begehen wir mehrere kulturelle Fauxpas, die wir fortan „Schanden“ nennen. Ich zum Beispiel mache direkt Schande, indem ich mir im Restaurant die Nase putze. In Japan ein totales No-Go, man zieht lieber die Nase hoch und signalisiert dadurch, dass man die Sache im Griff hat. Gemeinschaftlich etwas peinlich berührt von meinem Verhalten verlassen wir das Restaurant, um weiter durch Shibuya zu schlendern. Das Kaufhaus Tokyo Hands wurde uns im Vorfeld empfohlen, da man dort alle möglichen verrückten japanischen Produkte erwerben kann. Dort angekommen verteilen wir uns sofort auf sieben Etagen und verbringen so locker die nächsten Stunden. Getroffen wird sich nur, um sich aufgeregt winkend die wildesten und exotischen Dinge unter die Nase zu halten. Nach unseren kleinen Einkaufstour beschließen wir abends erschöpft den Tag in einer Kneipe mit ein paar Kirin (japanisches Bier).

Elektro-Viertel Akihabara – Messerkauf in Kappabashi

Am nächsten Morgen wollen wir auf die Eletronik-Meile Akihabara, wo man die neuesten Trends und den verrücksten Elektro-Krempel erwerben kann. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt (Tom und ich denken mehrfach sehnsüchtig an die 40 Grad in Melbourne zurück) schlendern wir durch das Viertel. In fast jedem Laden gibt es bekannten elektronischen Kram wie Taschenrechner, Computer und Haarglätter zu finden. Dazwischen auch das ein oder andere Tamagotchi mit Social-Media-Funktion, Massagegeräte der wildesten Sorte und sehr viel Manga-Zubehör. Zwischendurch sehen wir immer wieder Cosplay-Cafés, in denen die Kellnerinnen als Dienstmädchen verkleidet sind, stöbern aber doch lieber weiter durch die Elektro-Läden. Es wird viel angefasst, gezeigt und gestaunt. Nach einem fantastischen Nigiri-auf-die-Hand (große Gruppenschande, in Japan wird nicht im Gehen gegessen) fahren wir mit der U-Bahn weiter zur bekannten Essens-Straße Kappabashi. Da der ein oder andere in unserer Gruppe seit Tagen von nichts anderem als einem Messerkauf fabuliert, ist es an der Zeit, dem Gerede endlich ein Ende zu machen. Vorher laufen wir aber noch an Geschäften vorbei, die komplette Essen aus Plastik verkaufen. Ziel dieser kleinen Wunder sind die Schaufenster der Restaurants in Tokio, die dem Gast gerne vorab das zu erwartende Essen in unecht offerieren. Staunend begrapschen wir auch hier wieder die kleinen Sushi, Biere oder ganze Nudelgerichte mit Stäbchen. Nach vielen „Ahs“ und „Ohs“ steht aber nun endlich Projekt Messerkauf auf dem Programm. Tom und Philipp verbringen gefühlt einen Tag in dem kleinen Laden, dessen Besitzer immer wieder verschiedene japanische Messer aus dem Hinterzimmer zaubert. Nachdem man sich in einem Kauderwelsch aus Japanisch, Englisch und viel Handgefuchtel handelseinig geworden ist, können wir endlich wieder weiterziehen.

Rathaus und Yoyogi-Park

Nach den ganzen Eindrücken aus den verschiedenen Stadtteilen, wollen wir uns an Tag 4 Tokio einmal von oben anschauen. Dazu fahren wir zum Rathaus, wo man uns höflich mit dem Aufzug ins oberste Stockwerk begleitet. Dort hat man einen wunderbaren Blick auf die ganze Stadt, den Tokio-Tower und sogar den Mount Fuji. Ach Tokio, wie schön du bist! Nach fast vier Tagen hier sind wir alle etwas verliebt in diese verrückte Stadt. Nach einer hektischen Runde des Spiels „Finde das Postamt im Rathaus“ laufen wir in den berühmten Yoyogi-Park. Die Sonne steht tief und einige Japaner schlendern entspannt zum Meji-Schrein. Glückselig besichtigen wir den Schrein und bestaunen verschiedene buddhistische Rituale. Sogar der ein oder andere Mönch lässt sich blicken. Insgesamt ist im ganzen Park eine wunderschöne Atmosphäre, sodass wir uns nur schweren Herzens davon lösen können. Auf dem Rückweg genießen wir mal wieder ein gutes Essen und einige Kirin, bevor es auch schon wieder in Richtung Appartement und Bett geht. Es stehen uns noch ein paar aufregende Tage in Tokio bevor (Toiletten-Wunder, japanische Gast-Liebe und Surfer) – mehr davon im zweiten Teil.

Tipps des Tages